Feierliche Einweihung des Synagogenplatzes in Baiertal
Am 9. November 2025 wurde der neu sanierte Synagogenplatz in Baiertal feierlich eingeweiht. Ein Ort des Gedenkens, der Erinnerung und des Miteinanders.
Der Tag, der sowohl an die Reichspogromnacht von 1938 als auch an den Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989 erinnert, war eine besondere Gelegenheit, die dunklen Kapitel der Geschichte zu würdigen und gleichzeitig die Bedeutung der Erinnerung und des Zusammenlebens in der Gegenwart zu betonen. Zahlreiche Gäste aus Baiertal, Wiesloch und der Region versammelten sich an diesem symbolträchtigen Ort, um gemeinsam der Vergangenheit zu gedenken und die Neugestaltung des Platzes als Zeichen für die Zukunft zu feiern.
Ganz am Ende der Einweihung des Platzes trat Bruno Blaser, ein über 90. Jähriger Baiertaler Bürger spontan ans Mikrofon und sorgte bei allen Anwesenden für einen ganz besonderen Moment: „Ich war dabei“, so Blaser. „Ich war dabei und sah als Kind, wie die Nazis die Synagoge stürmten und die gläsernen Kerzenständer zertrümmerten und alles zerstörten.“ Noch bis heute wirken in ihm diese Erlebnisse nach. Unfassbar für den kleinen Bruno damals und für den Senior Blaser noch heute, wie Menschen, mit denen er täglich in Kontakt war aus der Mitte seines Dorfes, so behandelt werden konnten. Wichtig war ihm zu betonen, dass es Mitbürgerinnen und Bürger in Baiertal gab, die die jüdischen Familien aufgenommen und geschützt haben, eine Geste Menschlichkeit und Mut, die ihn bis heute beeindrucken.
Zuvor eröffnete Ortsvorsteher Michael Glaser die Feierlichkeiten und begrüßte die Anwesenden mit einer bewegenden Ansprache. „Es erfüllt mich mit großer Freude und Dankbarkeit, Sie heute zur Einweihung des Synagogenplatzes willkommen zu heißen“, sagte Glaser und fuhr fort: „Der 9. November ist ein Tag, der untrennbar mit den Ereignissen der Reichspogromnacht von 1938 verbunden ist. Ein Tag, an dem die jüdische Gemeinschaft in Deutschland unsagbares Leid erfahren musste. Doch dieser Tag ist auch der 9. November 1989, der Tag des Falls der Berliner Mauer, ein Symbol für die Freiheit und den Neubeginn.“
Mit diesen Worten machte Glaser deutlich, dass der 9. November eine doppelte Bedeutung hat: Er ist nicht nur ein Tag der Erinnerung an das erlittene Unrecht, sondern auch ein Tag, an dem der Blick nach vorne gerichtet wird – auf eine Zukunft, in der Toleranz, Demokratie und friedliches Miteinander die Grundlage unseres Zusammenlebens bilden.
Der Ortsvorsteher erinnerte an die Geschichte des Synagogenplatzes. Im Jahr 1805 wurde an dieser Stelle die Synagoge der jüdischen Gemeinde Baiertals errichtet, die über viele Jahrzehnten hinweg ein bedeutender Ort des Glaubens, der Begegnung und des gemeinschaftlichen Miteinanders war. Doch mit der Reichspogromnacht 1938 wurde diese Synagoge zerstört, und das Leben der jüdischen Gemeinde in Baiertal nahm eine dramatische Wendung. „An diesem Ort, der uns mit seiner Geschichte mahnt, gedenken wir heute all jener, die Opfer des Nationalsozialismus wurden – derer, die vertrieben, verfolgt und ermordet wurden. Wir halten ihr Andenken in Ehren“, sagte Glaser und bat die Anwesenden, sich in einer Schweigeminute zu vergegenwärtigen, was an diesem Tag verloren gegangen war.
Nach der Schweigeminute ging Glaser auf die Neugestaltung des Platzes ein, die den Abschluss einer langen und sorgfältigen Sanierung darstellt. Der Synagogenplatz soll nicht nur als Denkmal dienen, sondern auch ein lebendiger Ort des Alltags sein. „Dieser Platz ist ein Ort der Erinnerung und Mahnung, aber auch ein Ort des Lebens. Hier treffen sich Vergangenheit und Gegenwart“, erklärte Glaser. Die im Boden eingezeichneten Sandsteinbänder, die den Grundriss der ehemaligen Synagoge nachzeichnen, und die zwei erhaltenen Säulen seien sichtbare Zeugnisse der Geschichte und des Verlusts, aber auch Symbole der Verbundenheit und Verantwortung der heutigen Generation.
Der Platz solle auch ein Ort der Begegnung sein, an dem Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion und Orientierung zusammenkommen und sich austauschen können. „Es ist unsere Verantwortung, diesen Platz zu einem Ort des Friedens, der Toleranz und des respektvollen Miteinanders zu machen“, so Glaser weiter. Dabei betonte er, wie wichtig es sei, dass der Synagogenplatz nicht nur als Mahnmal fungiere, sondern als Raum für die Gemeinschaft, an dem sich auch junge Menschen mit der Geschichte und den Werten der Demokratie auseinandersetzen können.
Bürgermeister Sauer: „Ein stilles Zeichen der Erinnerung“
Bürgermeister Ludwig Sauer schloss sich den Worten von Ortsvorsteher Glaser an und sprach von der tiefen Bedeutung des Synagogenplatzes für die Gemeinde Baiertal und die Stadt Wiesloch. „Es war keine leichte Entscheidung, diesen Platz ausgerechnet an diesem Gedenktag einzuweihen. Doch wir glauben, dass es genau der richtige Moment ist, um die Erinnerung an das Unrecht mit der Freude über den gelungenen Umbau dieses zentralen Ortes zu verbinden“, sagte Sauer in seiner Ansprache. Er erinnerte an die Geschichte des Platzes und der Synagoge, die hier bis 1938 stand, als sie im Zuge der Reichspogromnacht zerstört wurde. „Die Synagoge war ein fester Bestandteil des Gemeinschaftslebens in Baiertal – ein Ort des Glaubens und des Zusammenhalts, der mit der Zerstörung in jener Nacht für immer verloren ging.“
Mit der Sanierung und der Neugestaltung des Synagogenplatzes, so Sauer, werde nicht nur die Geschichte bewahrt, sondern auch eine neue Bedeutung für die Zukunft geschaffen. Der Platz solle ein „stilles Zeichen der Erinnerung“ sein – ein Ort, der zum Innehalten, Nachdenken und Miteinander ins Gespräch kommen einlade. „Er lädt uns alle ein, achtsam, aufgeschlossen und sensibel zu sein. Der Synagogenplatz soll ein Ort bleiben, an dem Geschichte lebendig bleibt und die Erinnerung nicht verblasst“, erklärte der Bürgermeister abschließend.
Gert Weisskirchen: „Nie wieder – das war das immerwährende Bekenntnis“
Den Abschluss der Reden bildete Prof. Gert Weisskirchen, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und ein herausragender Fürsprecher des jüdischen Gedenkens. In seiner Rede sprach Weisskirchen von der doppelten Bedeutung des 9. Novembers – sowohl als Tag des Gedenkens an das Leid der Opfer der Reichspogromnacht als auch als Tag des Aufbruchs und der Hoffnung, der mit dem Fall der Berliner Mauer verbunden ist. „1938 war der Vorhof zur Hölle. Doch 1989 war der Tag der Freude. Der 9. November trägt beides in sich – die Erinnerung an das Unfassbare und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft“, sagte Weisskirchen.
Er hob hervor, dass der 9. November uns immer wieder daran erinnern müsse, dass es die Verantwortung der heutigen Generation sei, gegen Antisemitismus und jede Form der Barbarei einzutreten. „Nie wieder – das war das immerwährende Bekenntnis Deutschlands. Nie wieder Antisemitismus, nie wieder Barbarei. Dies ist unsere Antwort auf die Zerstörung der Synagoge mitten unter uns“, sagte Weisskirchen eindringlich und mahnte, das Gedächtnis an das erlittene Leid stets lebendig zu halten.
Die Feierlichkeiten wurden vom Männerchor des Gesangvereins MGV Frohsinn Baiertal umrahmt.
Am Ende konnte dann die extra geschaffene Gedenktafel duch den Spätlese e.V. übergeben werden, die als sichtbares Zeichen auf die Vergangenheit des Platzes hinweist.